3.4       Zentralbank und Geldpolitik

Durch eine Vollgeldreform wird das bisher nur zum Teil staatliche Geld (Münzen und Banknoten) in Gänze zu staatlichem Geld. Es wird keine Zahlungsmittel unterschiedlicher Herkunft wie heute mehr geben (staatliche Münzen von der Regierung, staatliche Banknoten von der Zentralbank, privates Giralgeld von den Banken). Es wird keinen gesplitteten Geldkreislauf mehr geben (Interbanken- und Publikumskreislauf). Es wird kein fraktionales Reservesystem bzw keine multiple Giralgeldschöpfung mehr geben. Ebenso wird es keine relativ beliebig abgrenzbaren aggregierten Geldmengen M0, M1, M2, M3, M4 mehr geben.

Es wird - einfach zu verstehen und leicht zu handhaben - nur noch eine einheitliche Vollgeldmenge M geben. Zirkulieren kann dieses Geld weiterhin in Form von Münzen, Banknoten und Guthaben auf festen Geldkonten und mobilen Geldkarten. An der Quelle handelt es sich grundsätzlich um unbares Geld auf einem festen Konto. Das unbare Geld kann für praktische Zwecke in die anderen Formen gewechselt und wieder zurück gewechselt werden.

Die Geldmenge M stammt ausschließlich von der unabhängig gestellten Zentralbank und steht in ihrer Mengenzirkulation (nicht in der Verwendung) unter ihrer vollständigen Kontrolle. Die Zentralbank wird dadurch noch ausdrücklicher zu dem, was sie in den zurückliegenden Jahrzehnten in einer Reihe von fortgeschrittenen Industrienationen schon geworden ist: zur obersten Währungs- und Geldinstitution, die die Währungs- und Geldhoheit des Staates ausübt – ausüben sollte, denn gegenwärtig, bei 80-95% Giralgeldschöpfung, ist sie dazu nicht in der Lage. In einem Vollgeldregime bei vollständiger Geldkontrolle wird die Zentralbank faktisch die Vierte Gewalt im Staat bilden: die Monetative, und man sollte sie auch ausdrücklich als Rechtsinstitut so aufstellen. Die Begriffsbildung Monetative ist angelehnt an die Begriffe der Legislative, der Exekutive und der Judikative als den bisherigen geteilten Hoheitsfunktionen in modernen Staaten.

Wie im Artikel zur disfunktionalen Verfasstheit des heutigen Geldwesens dargelegt, kommt es darauf an, die falsche Identität von Geld und Kredit aufzulösen und die beiden Funktionen der Geldschöpfung und der Kreditvergabe im Sinn einer Gewaltenteilung zu trennen. Die Geldschöpfung und die Kontrolle der zirkulierenden Geldmenge stellen eine wirtschaftssystemische Rahmenvorgabe von größter Bedeutung dar. Diese Aufgabe ist Bestandteil der allgemeinen öffentlichen Ordnung. Eine solche hoheitliche Aufgabe gehört in die Hand einer unabhängig gestellten öffentlichen Einrichtung, heute naheliegenderweise der staatlichen Zentralbanken.

Die Monetative - in der Europäischen Währungsunion das System der Zentralbanken auf europäischer, nationaler und regionaler Ebene unter Führung der Europäischen Zentralbank - muss unabhängig gestellt sein wie die Gerichte, und wie diese nur dem Gesetz und ihrem professionellen Wissen verpflichtet. Die Führungspositionen werden durch die Regierung bzw das Finanzministerium besetzt werden müssen, wie auch die Richter vom Justizministerium ernannt werden. Aber einmal im Amt, dürfen die Zentralbanker niemandem weisungsgebunden sein. Ihre Unabhängigstellung ist ein funktionales Erfordernis. Weder Macht und Einfluss von Banken, Unternehmen, Wirtschaftsverbänden und Gewerk­­­schaften, noch Begehrlichkeiten von Parlament und Regierung dürfen die Geldpolitik bestimmen. Finanzminister, Kabinett oder Parlament dürfen nicht das Recht haben, von der Zentralbank etwas zu verlangen; allein die unabhängig gestellte Zentralbank hat das Recht, die Geldmenge zu bestimmen und jeweils neu geschöpftes Geld dem öffentlichen Haushalt als Seigniorage schuldenfrei zu überlassen - und dies unter rein monetären, keinesfalls unter fiskalischen Gesichtspunkten.

Zu den Dingen, die gesetzlich zu gewährleisten sind, gehört außerdem, dass
- sowohl Parlament als auch Regierung von der Zentralbank jederzeit Auskunft und Rechenschaft über einschlägige Fragen und Vorgänge verlangen können
- die Möglichkeiten, gegen die Zentralbanken, insb. die EZB, die Gerichte/Verwaltungsgerichte anzurufen, gestärkt werden
- die Revisionstätigkeit der staatlichen Rechnungshöfe in den Zentralbanken und der EZB gestärkt wird die Rechnungshöfe das in ihre jährlichen Berichte routinemäßig einbeziehen. 

Die diskretionäre Geldpolitik der Zentralbank soll eine potenzialorientierte Geldmengenpolitik sein, das heißt orientiert am Produktivitätspotenzial der realen Wirtschaft in kurz-, mittel- und langfristiger Perspektive. Dies beinhaltet eine grundsätzlich prozyklische Geldpolitik, die jedoch in ausgeprägten Hoch- und Tiefphasen in eine gemäßigt kontrazyklische Geldpolitik überzugehen hätte, um insoweit das Geldangebot zu glätten und den Zyklusverlauf in dem Sinne zu verstetigen, dass überschießenden Extremen in Hochs und Tiefs vorbeugt wird. Die Zentralbanken verfügen zeitnah über alle dafür nötigen Informationen und Indikatoren betreffend Konjunktur, Außenwirtschaft, öffentliche Haushalte, Geld- und Kapitalmärkte sowie Zinsentwicklung.

Als Instrumentarium ihrer Geldmengenpolitik kann die Zentralbank über drei Arten von Maßnahmen verfügen:
-   erstens die langfristige Geldschöpfung und Auszahlung von originärer Seigniorage an die Staatskasse in unterschiedlicher Höhe, zuzeiten auch das Ausbleiben solcher Auszahlungen; ebenso die ggf kurzfristig indizierte Geldschöpfung per Kredit an Banken, der Zinsseigniorage trägt.
-   zweitens Maßnahmen der bisherigen Offenmarktpolitik, um eventuell überschüssiges Geld vorübergehend zu absorbieren.
-  drittens eine neue Art von Maßnahme, die man Fristenpolitik nennen kann. Damit kann die Mindestlaufzeit von kurzfristigen Geldanlagen variiert werden. Eine Verlängerung der Mindestlaufzeiten von zum Beispiel Termineinlagen hat faktisch den gleichen Effekt wie eine Verlangsamung der Zirkulation oder eine Minderung der Geldmenge. Eine Verkürzung der Fristen bewirkt etwas gleiches wie eine Beschleunigung der Zirkulation oder eine Ausweitung der Geldmenge. Eine solche Fristenpolitik kann an die Stelle der bisherigen Mindest­reserven­politik treten. In einem Vollgeldregime wird eine Mindest­reserven­politik im herkömm­lichen Sinn gegenstandslos.