Bilanzierung von Vollgeld

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Buchhaltung ist nicht jedermanns Sache. Für das Geld- und Bankwesen ist sie jedoch konstitutiv. Eine Bank ist nichts anderes als ein großer Buchungs- und Bilanzierungsbetrieb.

Von daher ist es folgerichtig, dass je mehr Vollgeld öffentliche Beachtung findet, desto häufiger die Frage nach seiner sachgerechten Verbuchung und Bilanzierung aufkommt.

Zuerst hatte man sich in dieser Frage am Vorhandenen orientiert, das heißt, Vollgeld als Verbindlichkeit der Zentralbank zu buchen. Es wurde aber immer deutlicher, dass dieser hergebrachte Ansatz, Geld als Verbindlichkeit des Geldemittenten zu behandeln, historisch längst überholt und unstimmig geworden ist - spätestens seitdem Zentralbank-Guthaben sog. Fiatgeld in eigenem Recht sind, nicht mehr ein Einlösungsversprechen auf Silbergeld, oder ein Deckungsversprechen in Goldbarren.

Der darauf folgende Ansatz sieht vor, mit Vollgeld wie mit Münzgeld zu verfahren, das heißt, es ausschließlich als Eigenkapital-wirksames Aktivum zu verbuchen. In einigen der nachstehenden Manuskripte ist dieser Grundgedanke ausgeführt, mit Unterschieden im Detail.  

Der Münz- oder Eigenkapital-Ansatz ist stimmiger als der Verbindlichkeits-Ansatz, hat aber auch noch seine kleinen Schönheitsfehler. Diese lassen sich beheben, indem aus der Geschäftsbilanz der Vollgeld-schöpfenden Zentralbank ein Währungsregister ausgegliedert wird, über welches die Geldemission vorausgehend erfolgt, und von wo aus neues Geld entweder als Seigniorage dem Staatshaushalt oder für Kreditgeschäfte dem Bankbetrieb der Zentralbank zufließt.
Der folgende Artikel erläutert den Währungsregister-Ansatz und begründet ihn geldsystemisch und bilanzierungstechnisch: 

Für ein Währungsregister der Zentralbank. Vollgeld-Bilanzierung bei Zentralbank und Banken >  
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► Hier vorab schon einmal drei Grundgedanken zur Bilanzierung von Vollgeld bei der Zentralbank:

Münzen, Banknoten, Reserven sowie das künftige digitale Vollgeld (CBDC) werden in der Bilanz der Zentralbanken auf verschiedene und tatsächlich inkonsistente Weise verbucht. Das erklärt sich historisch, wobei aber die heutigen Verhältnisse über die historischen Ausgangslagen längst hinausgewachsen sind. Um die Lage auf stimmige Weise zu bereinigen, sind drei grundlegende Sachverhalte anzuerkennen:

1. Eine Zentralbank ist heute längst nicht mehr nur eine Bank, sondern die Geldbehörde eines politisch und gesetzlich bestimmten (meist nationalen) Währungsraums. Jede Zentralbank schöpft die gesetzlichen Zahlungsmittel bzw das Basisgeld bzw das Vollgeld in der von ihr geführten Währung.

2. Eine Zentralbank bringt ihr Basisgeld oder Vollgeld in Umlauf, indem sie Banken Kredit einräumt gegen Wertpapier-Besicherung, oder indem sie am offenen Markt Wertpapiere (überwiegend Staatsanleihen) aufkauft, wodurch den Banken Reserven zufließen. Jedoch ...   

... ist ein Kreditvertrag oder Wertpapier etwas anderes als die Zentralbank-Reserven, mit dem die Kredite ausbezahlt und die Wertpapiere bezahlt werden. Das sind zwei verschiedene Dinge – Geld und Kredit – deren Verschiedenheit heute weitgehend verkannt wird. Die Bereinigung der Lage beinhaltet, die tatsächliche Verschiedenheit von Geld und Kredit anzuerkennen und buchhalterisch-bilanziell entsprechend abzubilden. Das Zentralbankgeld, wie jedes andere Geld, und in welcher Form auch immer (Bargeld, Kontogeld, digitalen Tokens), besteht aus Geldzeichen. Seiner Eigenart nach ist jedes solche moderne Geldzeichen als Fiatgeld einfach nur ein monetäres Aktivum, aber keine Forderung gegen jemanden, und auch keine Verbindlichkeit gegenüber jemandem.     

Dementsprechend ist die Emission von Zentralbankgeld als ein Aktivatausch zu fassen: Das in der Bilanz bereits vorhanden sein müssende Geld wird ausbezahlt im Tausch für die Kreditforderung gegen einen Gläubiger, was in aller Regel Zinszahlungen und die Tilgung des ausbezahlten Kreditbetrags beinhaltet.

3. Im gegenwärtigen Buchungs- und Bilanzierungsrahmen der Zentralbanken kann diese Sachlage nicht abgebildet werden. Geld und Kredit erscheinen unsachgemäß als 'identisch', was sie jedoch nicht sind.

Das zu lösende Rätsel ist dieses: Wie kommt neu geschöpftes Zentralbankgeld in die Zentralbankbilanz, bzw wie kommt neu geschöpftes Zentralbankgeld an Adressaten in Umlauf, ohne dabei
- weder den Kreditbegriff (Forderung/Verbindlichkeit)
- noch den Eigenkapitalbegriff
zu überdehnen und dadurch in sinnwidriger Weise zu entstellen?  

Die Antwort darauf wurde im Prinzip bereits von David Ricardo gegeben: Es ist nötig, die Geldbehörde in zwei Organisationseinheiten zu untergliedern, die eine für das Geld, die andere für den Kredit. Die eine schöpft das Geld, die andere führt das operative Bankgeschäft einer Zentralbank.   


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•  Klaus Karwat, Vorsitzender des Vereins Monetative:
Vom fraktionalen Reservesystem zur Monetative: Eine Darstellung in Bilanzform >
 

 


Geldordnung, Geldschöpfung und Staatsfinanzierung >
(Zeitschrift für Wirtschaftspolitik, 62/2, 2013). In diesem Papier entwickelt Timm Gudehus eine Vollgeldreform mit einem Bilanzierungsansatz, bei dem alles Geld außerhalb der Zentralbankbilanz geführt wird (wie heute Münzen).  
In kompakter Form > Bilanzierung des Geldes und Einführung einer neuen Geldordnung
Als weitere Verdichtungsleistungen
> Entwurf einer Europäischen Währungsverfassung   
> Kommentar zum Entwurf einer Europäischen Währungsverfassung  

Th. Mayer

Th. Mayer

• Thomas Mayer hat den Ansatz, Vollgeld bei Zentralbanken und Banken wie Münzen zum Eigenkapital zu buchen, weiter ausgeführt. Vollgeld wird dann immer und überall als liquides Aktivum geführt, nicht als Verbindlichkeit (eine irreführend gewordene Praxis, die aus der Zeit der Gold- und Silbermünzen-Unterlegung von Banknoten und Reserven stammt). Der Bestand an Vollgeld ergibt sich aus einer Statistik, die außerhalb der Zentralbankbilanz geführt wird:
Bilanzierung von Giralgeld und Vollgeld >

• Auch Christoph Zenger vertritt den Standpunkt, dass Vollgeld bei seiner Zentralbank-Entstehung als Eigenkapital zu buchen ist, nicht als Verbindlichkeit   > Wie buchhalterische Fehlbeurteilungen die Geldpolitik und monetäre Reformen behindernInside Paradeplatz, 22.6.16.  

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• Norbert Häring erläutert anhand eines Artikels des Bankers Wolfgang Edelmüller> Wie die Notenbanken den Staat durch Bilanzierungstricks knapp halten (Geld und mehr, 24.7.2016). Würde neu erzeugtes Zentralbankgeld statt in obsoleter Weise als Verbindlichkeit erfasst zu werden, über das (Geldschöpfungs-)Gewinnkonto zum Eigenkapital gebucht, könnten die Zentralbanken schon heute erheblich mehr Gewinn (Seigniorage) für nützliche Zwecke ausschütten. 

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• Jürgen Kremer, Professor für Finanzmathematik, hat ein > Vollgeldsystem bilanzbuchhalterisch dargestellt (wobei er die Ausgabe von Vollgeld bei der Zentralbank noch als Verbindlichkeit bucht).